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Autor Thema: Wintz'sche Salbe  (Gelesen 20279 mal)

Lionapo

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Wintz'sche Salbe
« am: 10. September 2014, 09:02:09 »
Hallo ihr,

ich brauche mal Hilfe.
Wir haben gerade von einer Kundin eine Herstellungsvorschrift der "Wintzschen Salbe mit 5 % Urea vom Klinikum X" bekommen.

Gelbes Wachs 35 g
Cetylpalmitat 40 g
Erdnußöl 299,5 g
Glycerolmonostearat 2,5 g
Urea 25 g
Wasser ad 500,0 g

Als Verwendbarkeitsfrist sind hier 6 Monate gegeben.

Das verwirrt mich. Soweit ich das erkenne ist das doch eine Kühlsalbe ohne Konservierung mit 5 % Urea, richtig?

Wenn die "normale" Kühlsalbe schon nach 4 Wochen aufgebraucht werden muss, hat doch die unkonservierte nur 1 Woche. Und ich würde sie im Kühlschrank lagern - ABER was mach ich mit dem Harnstoff? Kristallisiert mir der da nicht aus,wenn ich den in den Kühlschrank stecke?

Oder sehe ich Probleme wo keine sind? Da das Klinikum weder was von Kühl lagern schreibt und sooo ne lange Aufbrauchsfrist angibt?
Ich bin irgendwie total verwirrt...

Freue mich über jede Antwort

Gruß lionapo

Kuplent

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Re: Wintz'sche Salbe
« Antwort #1 am: 10. September 2014, 17:47:04 »
Zitat
Soweit ich das erkenne ist das doch eine Kühlsalbe ohne Konservierung mit 5 % Urea, richtig?

Schaut in etwa nach Kühlsalbe DAB 7 mit Harnstoffzusatz aus (Glycerolmonostearat als Emulgator). Durch den Emulgatorzusatz bricht die Creme nicht gut auf der Haut und hat deshalb keine oder nur eingeschränkte Kühlwirkung.

Zitat
Wenn die "normale" Kühlsalbe schon nach 4 Wochen aufgebraucht werden muss, hat doch die unkonservierte nur 1 Woche.

ich vermute mal, dass Sie dem Trugschluss erliegen, "normale" Kühlsalbe wäre vorkonserviert - dem ist nicht so - sie enthält aber meist als Additiv ein Antioxidantiengemisch wegen des Erdnußöls, welches kein Konservierungsmittel ist und nicht vor mikrobiellem Verderb schützt. 

Da es sich bei "normaler Kühlsalbe" um eine Quasi-W/O-Emulsion handelt beträgt die Aufbrauchfrist soweit mir bekannt nach NRF 4 Wochen (ohne weitere Konservierung). Für die Ihnen vorliegende Rezeptur würde der Zeitraum analog gelten, insofern Sie die Creme unkonserviert herstellen.

Zitat
Oder sehe ich Probleme wo keine sind? Da das Klinikum weder was von Kühl lagern schreibt und sooo ne lange Aufbrauchsfrist angibt?

Die Diskrepanz liegt in der großen Menge vs. der Aufbrauchfrist von 4 Wochen (unkonserviert). Sie sollten abklären, wie schnell diese große Menge durch den Patienten aufgebraucht wird. Für mehrmonatige Haltbarkeit wäre eine zusätzliche Konservierung nötig - die Frage, die sich dann stellt ist, ob die Konservierung durch den Verordner gewünscht und/oder für den Patienten geeignet ist. Kühlsalbe wird ja meist deshalb verordnet, weil Sie konservierungsmittel- und im Normalfall emulgatorfrei (ok, hier nicht) ist.

Und um Sie vollends zu verwirren: Falls Sie auf den Gedanken kommen sollten, mit Kaliumsorbat (+geeignetem Ansäurungsmittel) zu konservieren, sollten Sie durch Zugabe eines geeigneten Puffers einen pH-drift ins Basische durch den im wässrigen stattfindenden Harnstoffzerfall (enstehender Ammoniak) zu verhindern, weil sonst die Konservierung nicht mehr wirkt - wie gesagt, nur für den Fall einer Sorbinsäurekonservierung. Wie das ungefähr funktionieren würde, können Sie z.B. unter NRF 11.74 nachlesen, auch wenn dort die Grundlage eine andere ist.

Einfacher wäre es wahrscheinlich nur die Menge herzustellen, die der Patient binnen 4 Wochen auch aufbrauchen kann.

Sollten Sie noch Klärungsbedarf sein, bitte einfach nochmals fragen.

Schöne Grüße
   


Kuplent

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Re: Wintz'sche Salbe
« Antwort #2 am: 10. September 2014, 18:04:16 »
Noch was vergessen: Die Herstellung ist nicht ganz trivial, auch ohne Konservierung, da der Harnstoff keine Wärme verträgt.

Den Harnstoff in der Gesamtmenge erwärmten Wassers zu lösen und mit den aufgeschmolzenen lipophilen Bestandteilen kaltzurühren fällt leider flach.

Wolf

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Re: Wintz'sche Salbe
« Antwort #3 am: 11. September 2014, 11:49:00 »
Hallo Lionapo,

Kollege Kuplent hat schon alles Wichtige gesagt. Zur Herstellung möchte ich noch folgenden Hinweis beisteuern. Ich sehe nur zwei Wege:

1.) Harnstoff kalt in der doppelten Menge Wasser lösen; Lactat - Puffer (+ Kaliumsorbat) hinzugeben (Menge Lactat - Puffer kann von der Menge Wasser abgezogen werden); Lösung in kleinen Portionen in die Grundlage einarbeiten

2.) Unguator und Topitec erzeugen Prozeßwärme und sind daher hier ungeeignet. Besser sind Maschinen mit einem Planetenrührwerk mit Metall-Schüssel und Metall-Rührwerkzeugen (z.B. Kenwood Chef oder Kitchen Aid). Man legt die Grundlage vor, streut den kristallinen Harnstoff (ohne Vorlösen) auf die Oberfläche, fügt den Lactat-Puffer (+ Kaliumsorbat) zu und rührt dann bei mittlerer Geschwindigkeit ca. 20 Minuten lang. Eine Probe wird auf dem Grindometer überprüft, ob alles gelöst ist.
So machen wir es immer.

MfG
Gerd Wolf

Lionapo

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Re: Wintz'sche Salbe
« Antwort #4 am: 11. September 2014, 11:52:56 »
sie enthält aber meist als Additiv ein Antioxidantiengemisch wegen des Erdnußöls, welches kein Konservierungsmittel ist und nicht vor mikrobiellem Verderb schützt.

Oh man - Erdboden tu dich auf und verschling mich! Ich war wirklich die ganzen Jahre davon überzeugt, dass das Antioxidant vor mikrobiellem Verderb schützt (zumindest kurzweilig...)
Dass kein Konservierungsmittel enthalten ist, wusste ich. Aber da hab ich mich halt voll auf das Antioxidant verlassen...

Konservierung fällt hier wegen der Verträglichkeit definitiv flach, da brauch ich beim Arzt gar nicht nachfragen.
 
Noch was vergessen: Die Herstellung ist nicht ganz trivial, auch ohne Konservierung, da der Harnstoff keine Wärme verträgt.
Den Harnstoff in der Gesamtmenge erwärmten Wassers zu lösen und mit den aufgeschmolzenen lipophilen Bestandteilen kaltzurühren fällt leider flach.

Ähm - ja ... hier noch eine Frage... Das ist jetzt für mich total neu. Harnstoff verträgt keine Wärme? Warum muss ich den dann unter Wärmeanwendung im Wasser lösen? Und das haben wir definitiv damals schon in der Schule so gemacht...

Kuplent

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Re: Wintz'sche Salbe
« Antwort #5 am: 11. September 2014, 12:21:03 »
Zitat
Harnstoff verträgt keine Wärme? Warum muss ich den dann unter Wärmeanwendung im Wasser lösen? Und das haben wir definitiv damals schon in der Schule so gemacht...

Harnstoff löst sich in Wasser bei 20°C etwa 1:1 auch ohne Wärmeanwendung. Diesen in eine W/O-Creme im nachhinein einzuarbeiten ist arbeitsintensiv - langes manuelles Rühren - weswegen man sich normalerweise des Tricks bedient, ihn in etwa der 1,5fachen Menge Wasser im Vorfeld kalt aufzulösen und dann einzurühren. Vollautomatische hochtourige Rührsysteme sind suboptimal wegen der entstehenden Prozeßwärme (hat Herr Kollege Dr. Wolf schon geschrieben).

Die Creme ohne Konservierung können Sie evtl so herstellen:

Lipophile Bestandteile aufschmelzen; Wasser erwärmen (hierbei vorerst nur 2/3 der eigentlichen Wassermenge verwenden), vermengen und kaltrühren; verdunstetes Wasser ergänzen; Harnstoff in restlicher Wassermenge kalt auflösen und in die bereits kaltgerührte Grundlage einarbeiten.

Für mich würde sich allerdings die Frage stellen, warum man die obsolete Kühlsalbe DAB 7 als Grundlage für diese Creme nimmt, die die eigentliche Bedeutung der Kühlsalbe konterkariert und im damals nachfolgenden DAB in dieser Zusammensetzung wieder rausgeflogen ist. Die Verwendung von "normaler Ungt. leniens" würde die Herstellung für Sie natürlich deutlich vereinfachen. Wäre wohl eine Anfrage wert.

Lionapo

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Re: Wintz'sche Salbe
« Antwort #6 am: 11. September 2014, 14:31:21 »
Danke für die vielen Aufklärungen und Vorschläge...

Harnstoff löst sich in Wasser bei 20°C etwa 1:1 auch ohne Wärmeanwendung.

Okay - also das ist mir wirklich neu. Auch meine Kollegen kennen es so, dass der Harnstoff unter Wärmeanwendung gelöst wird...


Die Creme ohne Konservierung können Sie evtl so herstellen:
Lipophile Bestandteile aufschmelzen; Wasser erwärmen (hierbei vorerst nur 2/3 der eigentlichen Wassermenge verwenden), vermengen und kaltrühren; verdunstetes Wasser ergänzen; Harnstoff in restlicher Wassermenge kalt auflösen und in die bereits kaltgerührte Grundlage einarbeiten.

Genauso werden wir es auch machen, trotz der kurzen Haltbarkeit für diese Menge.

Heute morgen hab ich mit dem Arzt im Klinkum gesprochen, der für diese Rezeptur zuständig ist. Ich bin enttäuscht, dass manche Leute so dermaßen uneinsichtig sind.
"Er verschreibt die Rezeptur so schon seit Jahren und es hat noch nie jemand ein Problem damit gehabt. Es kommt gar nicht in Frage die Grundlage auszutauschen." Alle Erklärungen stießen auf taube Ohren - er wollte einfach nicht verstehen.
Gut, dann wenigstens das mit der Haltbarkeit hinkriegen bzw. der verringerten Menge... Nichts. "Ihm hat noch keiner gesagt, dass die Creme schlecht wäre, bis so ein großer Topf aufgebraucht ist und dass ich mich da mit Sicherheit irre, da dass ja nicht sein kann"

Was soll man da noch sagen?
Vollkommene Resignation meinerseits...
Werde mich morgen Vormittag wohl in die Rezeptur verkriechen...

Kuplent

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Re: Wintz'sche Salbe
« Antwort #7 am: 11. September 2014, 15:35:06 »
Ja der Kampf gegen die Windmühlen....   

Noch ein Gedanke, die mir noch auf der Tastatur liegt:

Zur Konservierung:

Ich zitiere mal aus den GD-Leitlinien: "Mikrobiell anfällige Magistralrezepturen zur Mehrfachanwendung sollen durch Zusatz eines geeigneten Konservierungsmittels vor mikrobiellem Verderb geschützt werden. Enthaltene Konservierungsstoffe müssen
gekennzeichnet werden (siehe Punkt 11.). Wenn die Konservierung ausgeschlossen werden
soll und kann, hat der Arzt dies zu vermerken („Nicht konserviert!“). Die Aufbrauchfrist ist dann entsprechend zu beschränken."


Sie haben die Pflicht eine Rezeptur so herzustellen, dass sie mikrobiell über den angestrebten Verwendungszeitraum nicht anfällig ist, auch wenn auf der Verordnung selbst keine Konservierung angegeben ist.
Wie oben steht, hätte der Arzt dies schriftlich zu vermerken, wenn er das nicht wünscht. (ich weiß, ein frommer Wunsch)